Wenn man sich – wie die Piraten – für freie Meinungsäußerung, weniger Staat und selbstbestimmtes Leben einsetzt, so muss man sich auch mit den Schattenseiten des Liberalismus befassen. Wieviel Freiheit ist gut, wo sind die Gefahren, was ist mit Fairness? Vor allem: Wo und wie muss der Staat regulierend eingreifen?

Neben der Meinungs- und Redefreiheit gibt es weitere, zum Beispiel die Vertragsfreiheit. Als junge Partei, über die es viele unzutreffende Vorurteile und Mißverständnisse gibt, erleben wir es beispielsweise doch häufiger, dass ein Wirt sagt, er möchte keinen Piraten-Stammtisch in seiner Kneipe haben – oder zumindest keinen mit entsprechenden sichtbaren Hinweisen. Nur die wenigsten lehnen dabei die Partei wegen konkreter politischer Themen ab, sondern mehr aufgrund einer diffusen Angst welche Auswirkung eine Piratenveranstaltung in ihren Räumen haben könne. Aber auch ohne Begründung dürfen Wirte das willkürlich entscheiden. Dank meist verfügbaren alternativen Orten schadet sich damit meist nur der Wirt, dem ein nicht unerheblicher Umsatz entgeht.

Aber wenn das um sich greift? Können politische Gruppen so weit gesellschaftlich ausgegrenzt werden, dass sie ihrem Auftrag nach politischer Willensbildung nicht mehr nachkommen können? In manchen Bereichen kann man Einzelpersonen und Privatunternehmen diese Entscheidung nicht überlassen. Eine gewisse Chancengleichheit und Grundversorgung ist einfach Pflicht. Beispiele dafür sind unter anderem öffentlicher Verkehr, Kommunikationsinfrastruktur, Rundfunk oder soziale Sicherung. Hier muss der Staat entweder selbst anbieten oder durch Fördern oder Bestimmen die Unternehmen zwingen.

Ist das Recht auf Versammlung ein Grundrecht, muss der Staat hier auch regulierend eingreifen? Vermutlich nicht bei Kneipen, da ist das Problem eher hypothetisch. Ein viel konkreteres Problem (für eine Partei) sind die Mittel des Zahlungsverkehrs über ein Konto. Ohne Mitgliedsbeiträge, Spenden und auch staatliche Parteifinanzierung wird es schwer mit ernsthafter Parteiarbeit. Verweigern Banken einer Partei ein Konto wird zwar nicht die Meinungsfreiheit eingeschränkt, wohl aber mögliche Aktivitäten erschwert bis unmöglich gemacht. Die einzelnen Verbände der Piraten kämpfen beim Thema Konto derzeit allerdings weniger mit offener Ablehnung, als vielmehr mit unrealistischen Kontoführungskosten oder Anforderungen für die Einrichtung (z.B. wurde vom Bezirksverband Karlsruhe allen Ernstes gefordert das Gründungsprotokoll mit einer Unterschriftenliste aller siebzig anwesenden Gründungsmitgliedern einzureichen, um ein Konto zu erhalten).

Andere kann es sogar noch schlimmer treffen. Besonders wenn sie extreme und den Banken unliebsame Meinungen vertreten. Ein aktuelles Beispiel ist hier die MLPD. Diese ist zwar vom Verfassungsschutz als Links-Extremistisch eingestuft, wurde aber nicht verboten und war eine zur Bundestagswahl zugelassene Partei. Dieser Partei wurden jetzt (nach jahrzehntelanger klagloser Zusammenarbeit) die Parteikonten ohne Begründung gekündigt. Und das nicht nur von einer, sondern von gleich mehreren Banken. Und das trotz eines gerichtlichen Eilbeschlusses, dass diese willkürliche Kündigung unwirksam sei. Als politische Vereinigung, die zu Wahlen antreten will, ist der Entzug eines Kontos der Todesstoss. Natürlich kann man argumentieren, es sei von der MLPD nicht gerade clever sich ausgerechnet auf eine der “Monopolbanken” zu verlassen, für deren Abschaffung sie plädieren. Jedoch gibt es da zum Einen die Meinungsfreiheit, und eben einen gewisser Anspruch ohne Verfolgung und Nachteile Politik machen zu können. Und zum Anderen ist es eben zweifelhaft inwieweit eine solch eklatante und unbegründete Ungleichbehandlung von Klienten rechtens ist – von Gerechtigkeit mal ganz abgesehen.

Hier ist es ganz klar: der Staat hat eine hoheitliche Aufgabe die Grundversorgung diskriminierungsfrei zu gewährleisten. Dazu gehört die wirtschaftliche Grundsicherung und die Verfügbarkeit von Verkehrs-, Kommunikations- und anderer Infrastruktur für Menschen genauso wie Bank-Infrastruktur für (anerkannte und nicht verbotene) politische Gruppierungen. Auch der Zugang zum öffentlichen Raum und die Versammlungsfreiheit gehört zu der Grundversorgung, um die freiheitlich demokratische Grundordnung aufrecht zu erhalten. Wirtschaftliche Interessen dürfen hier keine Rolle spielen. Der Staat muss dann eventuelle Nachteile ausgleichen, einheitliche Rahmenbedingen schaffen oder gar selbst als Anbieter auftreten.

Das sind die Grenzen von denen der Gesetzgeber spricht, wenn er sagt des einen Freiheit endet dort, wo die anderer beginnt. Wenn Banken die Chancengleichheit im politischen Diskurs gefährden, so ist der Gesetzgeber gefragt – wenn die Unternehmen sich nicht fair verhalten.

Autor: Bernd Eckenfels (Pol. GF Bezirksverband Karlsruhe); Co-Autor: Uwe Lancier