Vertreter der Fraktionen von SPD und den Grünen im Stuttgarter Gemeinderat haben unseren offenen Brief anlässlich der Manipulierbarkeit des Bürgerhaushalts beantwortet. Die Antworten zeigen viel guten Willen beim Thema Bürgerhaushalt. Das Bewusstsein für die Brisanz digitaler Abstimmungswerkzeuge, wie das Bewertungssystem des Bürgerhaushalts, scheint dagegen völlig zu fehlen. Gute Absichten in allen Ehren – moderne Werkzeuge zur Bürgerbeteiligung können nur dann funktionieren, wenn diese wenigstens grundlegende demokratische Prinzipien einhalten. Ob unverbindlich oder nicht, der Bürgerhaushalt muss in Zukunft auf jeden Fall besser vor derartigen manipulativen Eingriffen geschützt sein. Spannend ist auch die Frage, aufgrund welchem Beschluss die „TOP100“ plötzlich in „TOP120“ abgeändert wurden. Das ist zwar gut, löst aber keinesfalls das ursächliche Problem. Da liegt eindeutig noch eine ganze Menge Arbeit vor uns.

 

Sehr geehrter Herr Eitzenberger,

Ihr Schreiben vom 10.08.2011 zur Manipulierbarkeit der Bewertungen im Bürgerhaushalt liegt mir zum Beantworten vor.

Ihre Fragen zur Konsistenz der Bewertungsergebnisse kann ich nicht aus eigener Fachkunde beantworten und habe diese daher an die Verwaltung weitergeleitet.

Ich kann Ihnen aber poltisch wie folgt antworten: Wir Bündnisgrüne haben die Idee des Bürgerhaushalts unterstützt und unterstützen diese weiter. Wir sehen im Bürgerhaushalt eine Möglichkeit, Elemente der partizipativen Demokratien in unsere Gemeinderatsarbeit einfließen zu lassen. Allerdings – und dies wurde in letzter Zeit ja auch in den Zeitungen geschrieben – liegt das Entscheidungsrecht über den Haushalt insgesamt und die einzellnen Anträge einzig und allein beim Gemeinderat. Hiervon kann nicht abgewichen werden, da dies eine Regelung der Gemeindeordnung ist. Es hat sich auch – meines Wissens nach – im Vorfeld des Bürgerhaushalts keine Partei verpflichtet, die am besten bewerteten Vorschläge oder den am besten bewerteten Vorschlag „durchzuwinken“ und diesen auf jeden Fall in den Haushalts aufzunehmen.

Wir Bündnisgrüne werden daher die Vorschläge der Bürger zur Kenntnis nehmen und dann darüber beraten, ob wir diese verteten werden oder nicht. Praktisch bedeutet das, dass die Gemeinderäte über die Bürgervorschläge eine Mitteilungsvorlage mit den fachlichen Anmerkungen/Kommentierungen der einzellnen Verwaltungsstellen dazu erhalten und über diese in den Haushaltsberatungen abstimmen. Die Grüne Fraktion wird dann abzuwägen haben zwischen dem geäußerten Interesse der (eines Teils der) Bürger und unseren Vorstellungen für die Zukunft Stuttgarts. Auch schon vor dem Bürgerhaushalt haben Bürger z.B. mit Hilfe von Unterschriftslisten mit Nachdruck auf Ihre Interessen hingewiesen, ein solches Vorgehen ist daher grundsätzlich nichts Neues.

Wir Bündnisgrüne werden nach Abschluss der Haushaltsverhandlungen für uns das Verfahren des Bürgerhaushalts noch einmal Revue passieren lassen und überlegen, was und wie es besser zu machen wäre und wie es gelungen ist, die Vorschläge der Bürger einzubinden. Das Verfahren des Bürgerhaushalt kann unserer Ansicht daher, wenn nötig noch verändert werden.

Für Rücksprachen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Andrea Münch

Stadträtin Bündnis 90/Die Grünen

stv. OV-Vorsitzende Bad Cannstatt

 

Sehr geehrter Herr Eitzenberger,

Vielen Dank für Ihren Brief an den Gemeinderat wegen des Bürgerhaushalts.

Der Bürgerhaushalt wurde tatsächlich sehr zügig implementiert. In Stuttgart arbeiten wir mit Doppelhaushalten. Wenn das Verfahren nicht jetzt umgesetzt worden wäre, dann hätten wir die Bürger erst in zwei Jahren einbeziehen können. Uns, der SPD-Fraktion, die wir den Bürgerhaushalt initiiert haben, war es wichtig, dass wir bald einsteigen.

Wieweit die von Ihnen angesprochenen Manipulationsmöglichkeiten ausgeschlossen wurden, kann ich Ihnen nicht sagen. Wir StadträtInnen müssen solche Fragen zunächst einmal der Stadtverwaltung überlassen, aus Zeitgründen. Aber vielen Dank für Ihre Hinweise. Bei der Auswertung und Fortsetzung des Verfahrens werden wir dies einbringen.

Wichtig für uns ist, dass der Haushalt vom Gemeinderat beschlossen wird. D.h. der Gemeinderat beschließt die TOP 100 (bzw. 120) Vorschläge erst nach eingehender Beratung und nicht automatisch. Aber der Gemeinderat befasst sich mit diesen TOP-Vorschlägen auf jeden Fall. Darüber hinaus aber ist der Gemeinderat frei, weitere Vorschläge der BürgerInnen aufzugreifen. Meine Fraktion hat und wird sich auch die anderen Vorschläge genau anschauen. Sollte also je manipuliert worden sein, so wird dies durch die Arbeit des Gemeinderats abgemildert. Denn der Bürgerhaushalt ist noch keine Entscheidung, er ist ein wichtiges Meinungsbild.

Mit freundlichen Grüßen

Roswitha Blind

Fraktionsvorsitzende

SPD-Gemeinderatsfraktion

 

(Unveränderte Veröffentlichung der Antworten mit freundlicher Genehmigung der Urheber)

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