Dr. Reza Parchizadeh

Ein Gastbeitrag von Dr. Reza Parchizadeh

Dr. Reza Parchizadeh ist Politiktheoretiker, Analyst für Sicherheitspolitik, und Kulturkritiker. Er ist Ginsburg/Milstein Writing Fellow des Middle East Forum. Er hat einen BA und einen MA in Englisch von der Universität Teheran und einen PhD in Englisch von der Indiana University of Pennsylvania (IUP), alle mit Auszeichnung. Als Redner hielt er 2023 einen den Vortrag “Die Zukunft Irans durch das Prisma von Russlands Gegenwart sehen”  auf der Pirate Security Conference.

Als Islamisten in 1979 den Iran übernahmen, geschah dies in einer Zeit politischer Unsicherheit und Selbstzweifel in den Vereinigten Staaten. Die USA waren noch immer unter dem Eindruck des gescheiterten Vietnamkrieges und des Watergate-Skandals. Washington, Lehren aus der jüngeren Geschichte ziehend, war nicht mehr bereit, einen unpopulären Diktator – in diesem Fall den Shah Irans – zu stützen, nachdem die CIA ihn bereits 1953 im Amt gehalten hatte. Insbesondere, da die anlaufende Revolution vermeintlich aus der Mitte des Volkes kam.

Obwohl der Kalte Krieg in vollem Gange war, zeigte Washington wenig Initiative, seine strategischen Interessen im Mittleren Osten zu verteidigen. Als die Islamisten in der Folge den Iran übernahmen, gab es tatsächlich unter Fachleuten in Washington die Meinung, so problematisch sei es nicht, wenn statt dem Shah nun ein Ayatollah an der Regierung wäre. Solange das Revolutions-Regime strategische Kontinuität zeige, die Sowjetunion aus dem Iran und dem Persischen Golf herauszuhalten.

Was diese Fachleute kapital unterschätzten, war das Potenzial der Islamisten selbst, Unruhe zu erzeugen und die liberale Ordnung zu stören, wie die Kommunisten vorher. Kaum hatten sie den Iran übernommen, stürzten sie den Mittleren Osten ins Chaos. Sie versuchten, ihre blutige Revolution in die Region zu exportieren, nahmen amerikanische Diplomaten als Geiseln, befeuerten eine mögliche militärische Auseinandersetzung mit dem Irak, indem sie irakische Shiiten zu einem Sturz Saddam Husseins anstachelten, und schürten den libanesischen Bürgerkrieg durch den Aufbau der Hisbollah. Und das waren nur die auffälligsten Aktivitäten.

Der Zusammenbruch des kommunistischen Ostblocks in den frühen 1990er Jahren sowie der Sturz des Ba’ath Regimes im Irak in den frühen 2000ern eröffnete Teheran umfangreiche Chancen, sein expansionistisches Projekt der Imperiumsbildung voranzutreiben. Zu dieser Zeit begann das iranische Regime die Entwicklung von nuklearen Kapazitäten, sicherte sich durch Unterstützung von Teheran-treuen Kräften Einfluss in der Region, und forderte die Autonomie und nationale Souveränität arabischer Staaten heraus, indem sie Teheran-treue islamistische Milizen innerhalb der Regierungen seiner Nachbarländer zu installieren versuchte.

Die Vereinigten Staaten ringen seither um den richtigen Umgang mit der Realität eines islamistischen Regimes in Iran. Sowohl republikanische, als auch demokratische US-Regierungen versuchten sich an zwei gegenläufigen Strategien: Beschwichtigung (Appeasement), wie im Falle des Nuklearabkommens JCPOA, und Bestrafung (Punishment), wie die Exekution von Qasem Soleimani, ein hochrangiger Militär der iranischen Revolutionsgarden (IRGC). Aber da Teherans Arglist immer weiter anschwillt, ist selbst diese ohnehin komplizierte Beziehung nicht mehr tragbar.

Islamisten sind inhärent apokalyptisch, interventionistisch und expansionistisch. Sie erachten die komplette Niederlage des Westens und seiner Alliierten im Mittleren Osten als essenziell, um ihr ultimatives Ziel einer “Islamischen Weltregierung” zu erreichen. Konsequent setzen sie alles daran, weltweit die liberale Ordnung zu erodieren. Das beinhaltet die Infiltration Lateinamerikas um die Sicherheit der USA nah ihrer eigenen Grenzen zu bedrohen, die Unterstützung and das Anstacheln Russlands in dessen Angriff auf die Ukraine, den vergünstigten Verkauf von Öl an China und Nordkorea, und das Anstacheln der Houthis, den globalen Schiffsverkehr im Roten Meer zu unterbrechen. Gleichzeitig sind die Islamisten nicht mehr weit davon entfernt, Kernwaffen zu besitzen, sodass die Gefahr eines nuklearen Holocausts über ihren Gegenspielern schwebt, sowohl jenen in der unmittelbaren Region, als auch darüber hinaus.

Während die Biden-Regierung – wie bereits die Obama-Regierung – eine Beschwichtigungspolitik gegenüber Teheran fährt und nach wie vor auf ein Wiederaufleben des Nuklearabkommens JCPOA hofft, reagierte Washington zu spät und zu wenig auf die weiterlaufenden Eskalationsbestrebungen des Teheraner Regimes. Diese Inkonsequenz wiederum ermunterte Teheran, seine Aggression exponenziell auszuweiten, nicht nur gegen US-Sicherheitsinteressen, sondern auch gegen Israel. Zu ihrer Terrorattacke gegen Israel am 7. Oktober 2023 fühlte sich die Hamas insbesondere dadurch ermutigt, dass Islamisten ein Nachlassen der amerikanischen Abschreckungspolitik im Mittleren Osten wahrnahmen. Im Nachgang verübten Islamisten seit Oktober 2023 fast 200 Attacken auf amerikanische Militärbasen und Truppen in der Region, in denen drei amerikanische Soldaten getötet und viele verletzt wurden.

Die militärischen Kapazitäten Iran-treuer Kräfte zu neutralisieren ist notwendig, aber nicht genug. Teheran kann Verluste einfach und schnell ausgleichen, denn das Leben eines Milizionärs ist für Teheran billig und Geld mehr als ausreichend vorhanden. Über die vergangenen Jahre hinweg haben die USA und Israel wiederholt Schläge gegen iranische Besitztümer und Vermögenswerte in der Region ausgeführt, aber insgesamt waren deren Auswirkungen gering. Teheran und die ihm Getreuen tauchen unter Feuer eine Weile ab, aber sobald die Luft wieder rein ist, tauchen sie auf und treiben ihr Unheil weiter.

Die US-Strategie gegen den Iran bedarf also eines Paradigmenwechsels. Washington muss seine lange etablierten Annahmen gegenüber Teheran überprüfen und grundsätzlich berichtigen. Zugeständnisse werden keinen Islamisten beschwichtigen; sie werden Islamisten vielmehr ermutigen, noch mehr Chaos zu stiften. Und das beschränkt sich nicht mehr lokal auf Iran und den Mittleren Osten: der Westen wird zunehmend selbst überannt von islamistischer Einflussnahme in Gesellschaft und Politik. Wir dürfen nicht die Rolle von pro-Teheran Lobbygruppen übersehen, genausowenig wie die verdeckten Operationen via politisch linken wie rechten Gruppen, die sich von dem Regime in Teheran vereinnahmen lassen, und so die Sicherheit und Demokratie des Westens aus dessen Mitte heraus zersetzen.

Schläge gegen hochrangige Islamisten innerhalb Irans sind eine legitime Vergeltungsmaßnahme, wenn Teheran amerikanisches Blut vergießt. Die USA müssen auf führende Persönlichkeiten des Regimes und der Revolutionsgarden (IRGC) zielen. Weitere legitime Ziele sind militärische, paramilitärische und logistische Anlagen sowie industrielle und kommerzielle Infrastruktur, die im Besitz der Regime-Offiziellen und der Revolutionsgarden sind. Die aufgeführten Persönlichkeiten und Anlagen sind unersetzbar für das Regime, beziehungsweise wird einige Zeit vergehen, bis für Ersatz gesorgt ist. Außerdem kann Washington durch solche Schläge gegenüber Teheran unmissverständlich seine Entschlossenheit demonstrieren, seine Soldaten und Sicherheitsinteressen zu verteidigen.

Aus der Sicht der Menschen im Iran werden diese Maßnahmen die Aura der Unbezwingbarkeit des Regimes zerschlagen, und das wird den Menschen den Mut geben, sich gegen die Tyrannen in Teheran zu erheben und sich ihrer ein für alle mal zu entledigen. Und dies, so meine Meinung, sollte Washingtons ultimatives Ziel sein: Den Sturz des islamistischen Regimes zu unterstützen und die Etablierung einer liberalen Demokratie im Iran anzuleiten. Erst dann wird der Iran ein respektierter Teil der Weltgemeinschaft werden, der gute Beziehungen zu seinen Nachbarn pflegt und seinen Teil beiträgt zu Frieden, Wohlstand und Demokratie in der Welt.