Der Landtag von Baden-Württemberg hat am 28.10. einen Volksentscheid über S21 abgelehnt. Sebastian Nerz, Vorstandsvorsitzender der Piratenpartei Baden-Württemberg nimmt hierzu Stellung:
Regierung und Opposition verfolgen konsequent ihre Politik weiter, die Wünsche des Volkes einfach zu ignorieren. Die CDU interessiert sich nicht für Bürgerbeteiligung, Transparenz oder Offenlegung von Fakten. Sie will Stuttgart 21 mit allen Mitteln durchsetzen. Wenn der CDU-Fraktionsvorsitzende Peter Hauk sagt, es sei egal, ob das Projekt nun fünf, zehn oder fünfzehn Milliarden Euro kostet, fehlen mir schlicht die Worte. Und natürlich agiert die FDP auch hier wie gewohnt als willenloser Mehrheitsbeschaffer.
Die SPD dagegen hängt mal wieder ihr Fähnchen in den Wind. Während sie 15 Jahre lang unreflektiert zu Stuttgart 21 stand, singt sie jetzt plötzlich das Hohe Lied der Bürgerbeteiligung. Eine Rückbesinnung auf demokratische Tugenden? Wohl eher eine Verzweiflungstat, um den eigenen Absturz in den Umfragen zu bremsen.
Noch weniger glaubhaft ist die Forderung der Grünen, einen Volksentscheid durchzuführen. Wer „mit allen Mitteln gegen Stuttgart 21 kämpfen“ will, wie die Fraktionsvize Theresia Bauer jüngst verlauten ließ, ist offenkundig nicht ernsthaft an der Meinung der Bürger interessiert. Dass die Grünen sich nun beim Antrag der SPD auf Volksabstimmung aus fadenscheinigen Gründen enthalten haben, bestätigt diesen Verdacht.
Volksentscheid heißt aber, dass das VOLK entscheidet, nicht irgendeine Partei!
Vor einem Bürgerentscheid müssen alle Fakten auf den Tisch. Danach brauchen wir eine ehrliche und offene Informationskampagne BEIDER Seiten zum geplanten Bahnhof und den Alternativkonzepten – und DANN eine ergebnisoffene Bürgerbefragung. Erst wenn dies geschehen ist, kann ein Landtag bei solch einem Jahrhundertprojekt von einer demokratisch legitimierten Entscheidung sprechen. Alles andere ist Pseudo-Demokratie.
Eine der ersten Aufgaben für die PIRATEN im Landtag wird es deshalb sein, einen Gesetzesentwurf einzubringen, der Volksbegehren in Baden-Württemberg deutlich vereinfacht. Wir brauchen endlich mehr echte Demokratie im Land!
Links/Quellen:
Beim Volksentscheid, entscheidet nicht das Volk vielleicht 20-30% davon aber garantiert nicht die Mehrheit des Volkes. Was für eine Legitimation soll das haben?
Volksentscheide sind ok, wenn mindestens 50% der Wahlberechtigten für oder gegen etwas abstimmen. Man kann nicht der Mehrheit eine Meinung aufzwingen. Wenn jemand meint, er habe ein Gesamtpacket gewählt und lebt damit gerne diese 5 Jahre, dann hat er genau so ein Recht darauf.
Ein Beispiel, 60% der Wahlberechtigten kommen und von diesen 60% sind 60% gegen S21. Wenn man das umsetzt entscheidet man sich gegen 64% des Volkes. 24% von den 60% die dagegen waren und 40% die meinten, dies sollte man doch der parlamentarischen Demokratie überlassen.
anon: ein Volksentscheid hat (leider) eine Zustimmungsquorum von 1/3 der Stimmberechtigten. D.h. es müssen sich mindestens 33% beteiligen. Wenn es ein umstrittenes Thema ist läuft das auf eine nötige Wahlbeteiligung von über 50% raus.
Man müsste wohl um S21 so zu entscheiden 2 konkurierende Gesetzesvorlagen einbringen (eines gegen und eines für s21) und dann wird das genommen das sowohl die erforderliche Mehrheit bekommt und ggf. die meisten Ja stimmen hat (VAbstG §20(1))
@bernd:
Ich meinte, dass so ein Volksentscheid erst Gültigkeit haben sollte, wenn sich min. 50% der Stimmberechtigten, nicht der Wähler, für eine Sache entscheiden.
@anon: das wäre ja noch unmöglicher/unsinniger als die jetzige Regelung. Nicht umsonst liegt BaWü laut „Mehr Demokratie e.V.“ auf dem vorletzten Platz was Volksbeteiligung angeht. Du darfst nicht vergessen dass „dafür sein“ nicht in jedem Fall die „schlechtere“ Alternative ist. Und dass es keine Wahlbeteiligung jenseits der 70% gibt (heutzutage) ist auch recht offensichtlich. Aber wieso sollte man die 70% mit „machtlosigkeit“ abstrafen nur weil sich ein kleinerer Teil nciht zum Wählen aufrafft. Wer nicht wählt enthält sich…
(aber ich will nicht absprechen dass man von einem „Volksentscheid“ auch nicht vom ultimativen Volkeswille sprechen kann, das ist genauso beeinflussbar wie bei einer repräsentativen Demokratie – nur mit anderen Mitteln).
Gruss
Bernd
@anon:
Du verweigerst also dem Bürger das Recht, sich bei einer politischen Frage zu enthalten? Du unterstellst ihm ferner, er sei, wenn er nicht zur Wahl geht, automatisch dagegen? Du vertrittst die Theorie, dass ein alle fünf Jahre ohne der von dir geforderten Mehrheit gewähltes Gesamtpaket ohne Aussagen über viele Punkte, die dann ohnehin alle von Lobbyisten geschrieben werden, besser die Meinung des Volkes vertritt als eine direkte Befragung?
Außerdem: Wenn man sich nach der von dir vorgestellten Wahl mit 60/60pro, dagegen entscheidet, entscheidet man nach genau der gleichen Logik, mit der selben Argumentation gegen den Willen von 76% der Bevölkerung, die nicht dagegen gestimmt haben.